Über die Sammlung

Die Gründung des musikwissenschaftlichen Seminars der Universität Bonn im Jahr 1925 fällt in eine Zeit, in der Tonaufnahmen erstmals in größerem Umfang produziert und international distribuiert wurden. Sowohl die Elektrifizierung und die damit erwirkte deutliche Verbesserung der Klangaufnahme und -wiedergabe als auch das vergleichsweise robuste Material der Tonträger kamen dem Einsatz der Schellackplatten zu Lehr-, Studien- und Forschungszwecken entgegen.

In den 1950er Jahren wurde dieser Bestand, der auf knapp 1000 Platten angewachsen war, aus der bibliothekarischen Nutzung herausgenommen, im Keller des Seminars archiviert und durch Langspielplatten und Tonband sowie später durch CDs, SACDs und Streamingangebote ersetzt. Nach einem ersten Umzug im Jahre 1992 stand 2014 ein zweiter Umzug des Seminars bevor – diesmal unter erschwerten räumlichen Bedingungen und mit provisorischen Übergangslösungen, die immer wieder innerhalb der Universität zur ‚Entsorgung’ einzelner Bibliotheks- und Archivbestände geführt haben. Um die Schellackplattensammlung vor diesem Schicksal zu bewahren, wurde der Bestand in die Abteilung Digitale Gesellschaft des Forums Internationale Wissenschaft Bonn ausgelagert und im Rahmen eines durch das BMBF geförderten Projekts Die Sammlungen – ein Kosmos“ schließlich digitalisiert.

So wie sich in der Bibliotheks- und Sammlungsgeschichte des musikwissenschaftlichen Seminars Bonn verschiedene medienhistorische Entwicklungsstufen der Klangaufzeichnung, der Tonträger und Tonformate spiegeln, so manifestieren sich auch innerhalb der Schellackplattensammlung selbst, d.h. innerhalb eines Zeitraums, der das erste Vierteljahrhundert elektrifizierter Klangaufzeichnung und Klangwiedergabe umfasst, verschiedene Veränderungsprozesse. Dies betrifft zum einen die sich schnell diversifizierenden und international organisierenden Produktionsfirmen und ihre Label. In der Datenbankaufnahme haben wir daher auf eine standardisierende Zuordnung verzichtet und uns – ebenso wie bei den von heutigen Konventionen mitunter abweichenden Werktiteln und Namensnennungen der Interpretinnen und Interpreten – strikt an den Beschriftungen auf den Platten orientiert. Dies betrifft zum anderen aber auch technische Innovationen wie etwa das „Silber-Verfahren des Elektro-akustischen Forschungs-Laboratoriums“ von Siemens und Telefunken, das mit Hilfe einer äußerst feinen molekularen Legierung die Wiedergabe der höheren Frequenzen und den Dynamikbereich der Aufnahmen zu verbessern suchte.

Ebenso fällt in diese Zeit auch der Beginn großdisponierter Projekte wie der nach dem zweiten Weltkrieg initiierten und bis zum Jahr 2013 fortgeführten „Archiv Produktion des musikhistorischen Studios der Deutschen Grammophon“, die klangdokumentarische Ziele verfolgte und unter wissenschaftlicher Begleitung ein umfangreiches Repertoire klassischer Musik vom 12. bis zum 18. Jahrhundert eingespielt hat. Nicht zuletzt ist die Sammlung auch interpretationsgeschichtlich interessant: ob es sich dabei um die Einspielung Beethoven’scher Symphonien unter dem Dirigat von Felix Weingartner handelt, der sich detailliert mit der Legitimität von Eingriffen in die Partitur auseinandergesetzt hat, oder um Interpretationen von Werken aus der Barockzeit lange vor einer ‚musikhistorisch informierten’ Aufführungspraxis oder um Aufnahmen, die der Vatikan unter eigenem Label veröffentlicht hat.

Weitere Informationen zur Digitalisierung der Sammlung finden Sie hier.